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Niklas Levinsohn·29. November 2019

Wochenschau: Was haben Sancho, Zlatan und 1860 München gemeinsam?

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Was haben Sancho, Zlatan und 1860 München gemeinsam? Klingt wie der Anfang eines blöden Witzes. Zum Lachen ist einem aber eigentlich nicht zumute, wenn man sich das Gebaren der drei Genannten anschaut.

„Wir reden über Parallelgesellschaften, Gemeinschaften mitten in Deutschland, die nach Regeln leben, die nicht die Unseren sind“: Das könnten unsere Worte gewesen sein, waren aber die Worte von ‚ZDF‘-Journalist Claus Kleber. Der Sprecher des ‚heute-journals‘ hat da zwar nicht über Fußball gesprochen, aber wir tun das jetzt. Denn was ist der Profifußball, wenn nicht eine Parallelgesellschaft?


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Man stelle sich einen durchschnittlichen 19-Jährigen in Deutschland vor. Vielleicht geht er noch zur Schule, vielleicht ist er gerade damit fertig geworden. Vielleicht hat er auch die mittlere Reife gemacht und bereits eine handwerkliche Ausbildung hinter sich. Haha. Nein, im Ernst. Was auch immer dieser 19-Jährige macht, auf Instagram dürften ihm keine 2,3 Millionen Menschen folgen. Jadon Sancho ist aber kein durchschnittlicher 19-Jähriger in Deutschland.

Jadon Sancho ist ein 19-Jähriger, den eine Geldstrafe in Höhe von 100.000 Euro als Folge eines verspäteten Erscheinens gerade mal so sehr abgeschreckt hat, dass er etwas länger als einen Monat ohne erneute Verspätung ausgekommen ist. Genauer gesagt bis zur Teamsitzung vor dem Gastspiel beim FC Barcelona. Klar, wer nie zu spät gekommen ist, der werfe den ersten Radiowecker. Aber wenn das Nicht-zu-spät-kommen zu den wenigen Dingen gehört, die in deinen Verantwortungsbereich fallen, kann man schon erwarten, dass du das auch hinkriegst.

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Sei es drum. Dieses Mal wurde der englische Wunderknabe nämlich nicht suspendiert, sondern auf die Bank gesetzt. Kam zur Halbzeit, spielte verdammt gut Fußball, traf einmal zum 3:1 und einmal die Latte. So nach dem Motto: „Was wollt ihr eigentlich?“ Nun, falls mit „ihr“ der FC Barcelona, Real Madrid, Manchester United und die Vereine mit katarischem Goldesel gemeint sind, dann wollen sie vor allem diese Zauberfüße auf ihrer Gehaltsliste wissen.

Und genau da liegt das Problem. Also nicht für Jadon Sanchos Karriere, aber womöglich für seine Persönlichkeitsentwicklung. Alles, was der Teenager aktuell lernt, ist nämlich, dass es immer irgendwie weitergeht, wenn er nur gut genug gegen den Ball tritt. Probezeiten? Abmahnungen? Entlassungen? Für Normalsterbliche. Nicht aus jedem Profifußballer muss dieses Umschiffen der Lebenswirklichkeit der Mehrheitsbevölkerung einen selbstverliebten Megalomanen machen, aber es kann. Siehe Zlatan Ibrahimović.

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Der inzwischen 38-Jährige hat dieser Tage auf gewohnt großspurige Weise verkündet, 25 Prozent der Anteile des schwedischen Erstligisten Hammarby IF erworben zu haben. Was nur brisant ist, weil Hammarby der Rivale von Ibrahimovićs Heimatklub Malmö FF ist. Der Klub, vor dessen Stadion eine dreieinhalb Meter große Statue des selbsternannten Fußballgottes steht. In der Stadt, auf die Ibrahimović immer wieder gerne zurückverweist, um sein Image als „authentisch“ gebliebener Straßenkicker zu schärfen.

Wer aber spätestens jetzt nicht merkt, dass all die durchgeplanten Talkshow-Auftritte und zum Gähnen vorhersehbaren Provokationen nicht etwa authentisch, dafür aber sehr wohl Teil einer ausgeklügelten Selbstinszenierung sind, der glaubt auch, dass das hier ein unbearbeitetes Foto des amerikanischen Präsidenten ist.

Das rechtfertigt zwar nicht, wie sich Malmö-Anhänger an besagter Statue abgearbeitet haben, aber es darf einen auch nicht wundern.

Wundern darf man sich dafür sehr wohl über das, was Drittligist 1860 München geritten haben muss. Die Löwen haben unter der Woche einen öffentlichen Spendenaufruf gestartet. Für verwaiste Schimpansen in Not? Für mehr Insektenwiesen auf Verkehrsinseln in Deutschland? Alles Kleinkram! 1860 würde von dem eingesammelten Geld gerne ab in den Süden fliegen und ein möglichst komfortables Wintertrainingslager abhalten.

Spender können großzügigerweise an der Verlosung eines unterschriebenen Trikots teilnehmen, wenn ihre Spende denn den dafür erforderlichen Mindestwert von 60 Euro erreicht. Also, rückt raus das Weihnachtsgeld! Alternativvorschlag: Die Arjen-Robben-Gedächtnishose drunterziehen, sich den unnötigen CO2-Verbrauch sparen und das Wintertrainingslager den fußballerischen Leistungen der letzten Jahre anpassen.

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Also, was haben Sancho, Ibrahimović und 1860 München denn jetzt eigentlich gemeinsam? Von der zeitlichen Nähe der beschriebenen Ereignisse einmal abgesehen ehrlicherweise nicht viel. Aber genug, um dich, den Fan, daran zu erinnern, wie uns Erdlingen entrückt dieser Kosmos ist, dem du, dem wir so viel unserer Aufmerksamkeit widmen. Das ist keine neue Erkenntnis. Aber es hilft, sie sich hin und wieder vor Augen zu führen, wenn man mal wieder entscheiden muss, wie sehr man sich von der nächsten Pleite oder dem nächsten Wechsel die Laune verhageln lässt.

In diesem Sinne, einen besinnlichen ersten Advent.