Wochenschau: Moukoko vs. Poldi oder die Bundesliga im Jugendwahn | OneFootball

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Erik Schmidt·24. Januar 2020

Wochenschau: Moukoko vs. Poldi oder die Bundesliga im Jugendwahn

Artikelbild:Wochenschau: Moukoko vs. Poldi oder die Bundesliga im Jugendwahn

Ach, was ist das Leben schön mit 16 Jahren! Schließlich macht der Mensch in diesem zarten Alter doch so viele neue Erfahrungen. Der erste feuchte Kuss. Das erste Mal mehr als ein feuchter Kuss. Das erste kalte Dosenbier. Die erste selbst gedrehte Zigarette. Das erste Bundesligaspiel vor mehr als 50.000 Zuschauern. Ähm? Jap!

Denn geht es nach den Plänen der DFL laufen möglicherweise schon bald jede Menge Teenager im Fußball-Oberhaus auf. Wird sich der hiesige Fan also künftig an andere Anstoßzeiten gewöhnen müssen? Sonntagmorgen statt Samstag um 15:30 Uhr? Den Gewohnheiten der A-Jugendlichen entsprechend. Schließlich ist der Nachmittag für die Schulaufgaben da.


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Mal im Ernst: Was davon zu halten ist, dass die bestehende Altersgrenze zu kippen droht, daran scheiden sich aktuell noch die Geister. Wie die ‚Bild‘ sowie die ‚Welt‘ in dieser Woche berichteten, soll es künftig eben schon mit Vollendung des 16. Lebensjahres erlaubt sein, im deutschen Profifußball eingesetzt zu werden. Das war in dieser Form bislang nicht möglich. Der entsprechende Beschluss erfolgt möglicherweise bereits bei der der Vollversammlung der 36 Erst- und Zweitligisten Ende März.

„Grundsätzlich halten wir es für zielführend, jungen Spielern möglichst viel Zeit für ihre individuelle Entwicklung zu geben. In Ausnahmefällen kann es durchaus Sinn machen, Talente früher an das höchste Level heranzuführen, das zeigen auch Beispiele aus dem Ausland“, erklärte Joti Chatzialexiou, der Sportliche Leiter der Nationalmannschaften beim DFB.

In den vier anderen europäischen Top-Ligen ist das Debüt mit dem 16. Geburtstag längst Usus. Auch deshalb hält es Lars Ricken – einst selbst fast noch als Kind auf größter Bühne im Einsatz – für dringend notwendig, dass Deutschland nachzieht. „Wir haben gegenwärtig einen großen Wettbewerbsnachteil, weil wir sehr junge Spieler nicht im Profiteam einsetzen dürfen“, so der Nachwuchskoordinator des BVB, „es gibt leider mehrere konkrete Beispiele dafür, dass Spieler sich deswegen gegen die Bundesliga entschieden haben.“

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Ein ganz besonderer Rohdiamant steht allerdings dennoch längst in den Reihen der Schwarzgelben: Youssoufa Moukoko. Der Angreifer, der im Nachwuchsbereich bereits sämtliche Torrekorde gebrochen hat, könnte demnach im kommenden November seine Premiere im Team von Lucien Favre feiern. Andernfalls wäre er dort erst ab August 2021 einsatzberechtigt, wenn er offiziell zum jüngeren Jahrgang der U19 zählt.

Wenig verwunderlich, dass die  Dortmunder einen entsprechenden Antrag für besagtes Treffen aller deutschen Profivereine angekündigt haben. Gut möglich, dass Erling Haaland im Herbst somit ins Altenteil verschoben wird. Der Norweger zählt dann nämlich schon 20 Lenzen und ist demnach bereits vier Jahre älter als Moukoko. Was soll der auf dem Platz mit diesem Großvater nur anfangen?

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Ganz ehrlich, muss dieser Jugendwahn tatsächlich sein? Sollten sich Teenager nicht erst einmal um andere Dinge kümmern. Eventuell um das Erwachsenwerden.

Julian Nagelsmann steht der ganzen Angelegenheit jedenfalls etwas reservierter gegenüber. „Ich bin davon nicht der allergrößte Freund. Es wird sich viel über mangelnde Entwicklungsmöglichkeiten von Führungspersönlichkeiten auf Spielerebene beklagt. Wenn ich die Spieler noch früher hochschiebe, sind sie noch mehr Druck ausgesetzt, werden noch mehr beäugt“, so der Leipziger Coach.

Zumal ein Großteil der Frühreifen in der Vergangenheit nicht gerade eine Bundesliga-Bilderbuchkarriere folgen ließ. Dazu reicht ein Blick in die Top-Drei der jüngsten Debütanten. Während Nuri Sahin, der im August 2005 als Bestandteil des jüngeren U19-Jahrgangs mit 16 Jahren und 335 Tagen seine Premiere feierte, noch immer eine Rolle spielt, verschwanden Yann Aurel Bisseck (1. FC Köln, 2017/18: 16 Jahre, 362 Tage) sowie Jürgen Friedl (Eintracht Frankfurt, 1975/76: 17 Jahre, 26 Tage) relativ schnell von der Bildfläche.

Lukas Podolski absolvierte sein erstes Bundesligaspiel hingegen „erst“ im Alter von 18 Jahren, fünf Monaten und 18 Tagen. Das war am 22. November 2003. Da war Moukoko noch nicht einmal ein Embryo. Trotzdem könnten die beiden theoretisch noch als Gegner aufeinandertreffen. Denn der Kölner Prinz hat immer noch Bock. So schloss sich der Weltmeister von 2014 am Donnerstag für die nächsten anderthalb Jahre dem türkischen Erstligisten Antalyaspor an. Der rangiert momentan zwar auf einem Abstiegsplatz, aber sei es drum. Fußball macht nämlich immer und überall Spaß! Ob mit fünf, 16 oder 34 Jahren.

Und wie sollte man am 25. Januar 2020 anders enden als mit den Worten von Eric Cantona?! Immerhin feiert der berühmt berüchtigte Kung-Fu-Tritt des Franzosen direkt auf den Brustkorb eines gegnerischen Anhängers, der ihn beleidigt hatte, an diesem Tag sein 25-jähriges Jubiläum.

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Nachdem Cantona anschließend für acht Monate gesperrt wurde, entgegnete er der gespannten Öffentlichkeit: „Die Möwen folgen dem Fischkutter, weil sie glauben, dass die Sardinen wieder ins Wasser geworfen werden.“ Dem ist nichts weiter hinzuzufügen.