Wird Frankreich den Fußball dominieren, André Schubert? | OneFootball

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Onefootball·18. Juli 2018

Wird Frankreich den Fußball dominieren, André Schubert?

Artikelbild:Wird Frankreich den Fußball dominieren, André Schubert?

Die Messe ist gelesen, die Trophäe gestemmt – Frankreich ist der neue Weltmeister. Unser WM-Experte André Schubert widmet sich in seiner abschließenden Kolumne mit dem neuen Champion und der Frage, ob die Bleus nun eine Ära prägen können.

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mit Frankreich haben wir einen verdienten Weltmeister, der in sieben Spielen vier Mal zu null gespielt hat. Wir haben einen Weltmeister, der aus einem kompakten Abwehrverbund heraus bei Ballgewinn hervorragend und blitzschnell umgeschaltet und seine unglaubliche Geschwindigkeit und individuelle Klasse nutzte, um die Spiele zu entscheiden. Die sich schwer taten gegen ebenfalls eher defensivorientierte Teams wie Dänemark oder Uruguay, die gegen Argentinien aber auch ein Feuerwerk abbrannten und im Finale vier Tore erzielten.

Trainer Deschamps formte seine Mannschaft zu einer kompakten Einheit, in der jeder bereit war, auch die defensiven Aufgaben zu erfüllen. Mit einer starken Achse um das Innenverteidigerpärchen Varane und Umtiti sowie den beiden zentralen Mittelfeldspielern Kanté und Pogba. Und im Angriff wirbelten Griezmann und Mbappé, schnell, dribbelstark, torgefährlich und mit Lösungen im Eins-gegen-Eins.

Auch wenn Frankreich meist aus einer eher defensiven Haltung heraus agierte, so fanden sie dann doch auch Lösungen in den unangenehmen Spielen wie gegen Peru, Uruguay oder Belgien, wo eine Standardsituation das Spiel entschied.

Spielglück im Finale

Im Finale haben wir zwei unterschiedliche Spielanlagen gesehen. Die Kroaten haben versucht das Spiel zu machen, Frankreich unter Druck zu setzen und Chancen zu kreieren, waren letztlich aber zu selten torgefährlich. Zudem hatte Frankreich das nötige Spielglück, das in engen Spielen entscheidend sein kann. Dem 1:0 ging eine Schwalbe Griezmanns voraus und der Elfmeterpfiff beim 2:1 war eher eine „Kann“-Entscheidung.

Es war für Modric und Co. nach den anstrengenden letzten Spielen sehr schwer, diese Rückschläge wegzustecken. Die erneute Führung spielte Frankreich in die Karten, es boten sich zunehmend Räume für ihre überfallartigen Konter.

Bei den Treffern von Pogba und Mbappé wurde auch noch einmal die individuelle Klasse deutlich, die am Ende den Ausschlag zu Gunsten les Bleus gegeben hat. Wie Griezmann beim 3:1 den Ball kontrollierte und ablegte, Pogba zunächst mit rechts, dann mit links abzog und den Ball in der Ecke platzierte, war beeindruckend. Ebenso wie Mbappé beim 4:1, der sich erst in Position lief und dann gezielt abschloss.

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Frankreich hatte zwar wieder einmal weniger Ballbesitz und Abschlüsse, am Ende hieß es aber 4:2. Ballbesitz alleine bringt weder ein Tor noch einen Punkt… dennoch, ich habe es schon mehrfach gesagt: aus meiner Sicht ist das nicht das Ende von Ballbesitzfußball, denn Ballbesitz alleine hat noch nie zum Erfolg geführt. Top-Mannschaften müssen sich immer wieder damit auseinandersetzen, gegen tief stehende Mannschaften das Spiel machen zu müssen, manche Gegner lassen sich selbst nach Rückstand einfach nicht locken.

Ein hoher Ballbesitzanteil schließt natürlich situativ ein schnelles Umschalten nicht aus. Und schließlich zeigte auch Frankreich, das Spielkontrolle in bestimmten Phasen wichtig sein kann, wie die letzten zehn Minuten im Spiel gegen Belgien belegen.

Beginn der französischen Ära?

Frankreich ist absolut verdient Weltmeister geworden und wird auch bei den kommenden Turnieren zum Favoritenkreis zählen. Aber sie haben nicht diese absolute Dominanz und Kontrolle ausgestrahlt, einige Spiele waren sehr eng und hätten auch anders ausgehen können.

Sie haben ein gutes Turnier gespielt, ihre Qualitäten clever genutzt und hatten das nötige Spielglück. Ich denke, dass sich Deschamps auch deshalb auf diese kompakte, abwartende Art von Fußball konzentrierte, weil er wusste, dass dadurch die Stärken seiner Mannschaft am besten zum Tragen kommen. Dadurch ließen sie wenige Chancen zu und boten den schnellen Angreifern zudem genug Raum für ihre Tempoläufe und Dribblings. Gegen tief stehende Gegner haben sie sich jedoch schwer getan, obwohl sie Einzelspieler von unglaublicher Qualität haben.

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Die Franzosen haben eine junge Mannschaft. Wollen sie wirklich eine dominierende Rolle über mehrere Jahre spielen, müssen sie versuchen, ihren Spielstil weiterzuentwickeln. Sie müssen sich ihre Stärken im Umschalten bewahren, andererseits aber auch ein sicheres Kombinationsspiel entfalten und Lösungen finden, wenn sich ihnen wenig Räume bieten.

Wenn wir uns diese WM anschauen, dann waren die Topspiele eher die, in denen verschiedene Spielstile aufeinandertrafen. Portugal – Spanien oder Frankreich – Argentinien waren wunderbar anzuschauen. Spiele, in denen beide Teams eher aus der Reaktion heraus agierten, waren nicht sonderlich attraktiv und wurden nicht selten durch Standards entschieden. Aber natürlich steht bei einem Turnier, insbesondere in den KO-Runden, der Sicherheitsaspekt stärker im Fokus, dies ist verständlich. Deswegen freut es mich besonders, dass sich Kroatien bis ins Finale kämpfte und spielte und mit Luka Modric ein genialer Mittelfeldstratege zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde.