Was wäre eigentlich, wenn Guardiola nie Barça-Coach geworden wäre? | OneFootball

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Jan Schultz·5. April 2020

Was wäre eigentlich, wenn Guardiola nie Barça-Coach geworden wäre?

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14 Titel in vier Jahren, dazu der womöglich ansehnlichste Fußball, der je gespielt wurde. Keine Frage, Pep Guardiola und der FC Barcelona – das war eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht.

Dabei war dies im Sommer 2008, als der gebürtige Katalane zum Cheftrainer seines Herzensvereins befördert wurde, so überhaupt nicht zu erwarten. Guardiola hatte schließlich gerade einmal eine magere Saison als Trainer hinter sich – und das auch nur bei der zweiten Mannschaft Barças. Eine mutige Entscheidung der Vereinsbosse. Eine Entscheidung, die reichlich und nachhaltig belohnt wurde.


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Aber was wäre gewesen, wenn sich die Klubführung anders entschieden hätte?

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Wir drehen die Uhren weit zurück. In den USA ist ein gewisser Donald Trump nur ein reicher Mann mit einer eigenen Reality-TV-Show, Kinofans freuen sich auf The Dark Knight, Italien ist amtierender Weltmeister und der FC Barcelona hat in der nationalen Meisterschaft zum zweiten Mal in Folge das Nachsehen gegenüber Real Madrid. Es ist das Jahr 2008.

Weil am Ende der Spielzeit trotz eines prominent besetzten Kaders nur 67 Punkte auf dem Konto stehen, wird das stolze Barça nur Dritter, der Erzrivale verteidigt den Titel mit 18 Punkten Vorsprung mühelos. Das ist mehr als eine herbe Niederlage. Im Verein ist den Bossen daher schon lange klar: Mit Trainer Frank Rijkaard kann es nicht weitergehen. Ein neuer Mann muss her.

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Und der wird nach zahlreichen wie wilden Spekulationen schließlich auch vorgestellt. Im eigenen Nachwuchs gäbe es zwar ein vielversprechendes Trainertalent, der Weltklub traut sich einen solchen Schritt unter dem öffentlichen Druck aber nicht zu. Stattdessen wird es der von Fans und Medien geforderte große Name: Carlo Ancelotti.

Der Italiener hat mit dem AC Milan zwar eine schwache Saison hinter sich, in der Vergangenheit aber schon oft genug bewiesen, dass er mit Ausnahme von einer Diät den ganz großen Aufgaben gewachsen ist. Und vor allem kann er dank seiner natürlichen Autorität mit gestandenen Stars umgehen. Den Katalanen ist dies besonders wichtig, da Ronaldinho und Deco zuletzt um ihre Form gerungen hatten.

Don Carlo redet beiden mächtig ins Gewissen und sieht in ihnen Schlüsselspieler. Ganz zum Leidwesen von hochveranlagten Eigengewächsen wie Sergio Busquets oder Andrés Iniesta. Letzterer hatte sich zuvor zwar schon bei den Profis etabliert, muss sich nun aber wieder hinten anstellen. Selbiges gilt für Xavi, der anstelle von Sommerneuzugang Gennaro Gattuso oftmals auf der Bank Platz nehmen muss. Die drei stehen im Training isoliert und spielen einsam ihre Rondos.

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Trotz all der Erfahrung im Kader agieren die Katalanen auf dem Platz zu oft ohne echten Offensivplan. Einzig Supertalent Lionel Messi und einer deutlich stabilisierten Defensive ist es zu verdanken, dass Barcelona dennoch auf Kurs ist. Am Ende der Saison reicht es schließlich für die erste Meisterschaft seit drei Jahren, in der Champions League ist im Halbfinale indes erneut gegen einen englischen Verein Endstation, diesmal gegen Chelsea.

Im Sommer folgen große Umbaumaßnahmen. Don Carlo plant trotz vehementer Proteste der Fans die Abkehr vom heiligen 4-3-3 und will Messi im Sturm einen echten Knipser an die Seite stellen. Die Fans tun es zunächst dem Übungsleiter gleich und heben verdutzt eine Augenbraue, es folgen „No 442“-Plakate im ganzen Camp Nou. Der Italiener zieht seinen Plan trotzdem durch.

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Aus Italien kommt daher Zlatan Ibrahimovic. „Der Zwerg und ich richten das da vorne schon“, kündigt der gewohnt demütig an. Im Gegenzug geht nicht nur Samuel Eto’o, auch die Eigengewächse Iniesta, Busquets und Pedro kehren dem Klub enttäuscht den Rücken.

Selbiges gilt für den ehrgeizigen Guardiola, der in Katalonien keine Chance sieht, zeitnah zu den Profis befördert zu werden. Ihn zieht es zu Brescia Calcio, das gerade in die Serie A aufgestiegen ist. Bei dem Klub, für den er auch schon als Spieler aktiv war, holt Guardiola aber schnell die Realität ein.

Anhaltender Misserfolg kostet ihn erst die Haare, das sture Festhalten an einer für sein Team völlig unpassenden Ballbesitztaktik schließlich auch den Job. Das negative Highlight ist dabei ein eigenartiges Experiment. „Falso Nove“ schreiben italienische Medien, international hat dies aber noch keine Bedeutung, weshalb es auch niemand als „Falsche Neun“ ins Deutsche übersetzt.

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In Barcelona indes lässt Ibrahimovic seinen Worten Taten folgen. Mit Messi harmoniert er im Zentrum wunderbar, das Team verteidigt die nationale Meisterschaft und gewinnt gegen Louis van Gaals FC Bayern die Champions League. Einzig ein frühes Pokal-Aus verhindert das Triple. Am Ende des Jahres wird Messi dennoch erstmals als Weltfußballer ausgezeichnet.

Ein lebensgroßes Tattoo von Zlatans Konterfei auf dem Rücken erinnert den Argentinier in der Folge an das fantastische Zusammenspiel mit seinem kongenialen Sturmpartner. Der Schwede wiederum findet auf seinem kleinen Finger Platz für ein Abbild seines Nebenmannes – ebenfalls beinahe lebensgroß.

Weltmeister aus der Niederlande

Die Niederlande werden indes zum ersten Mal Weltmeister und feiern den in der Hinrunde noch krachend abgestürzten Guardiola. Der ist zwar nicht der Bondscoach, hat als Trainer vom plötzlich wiedererstarkten Feyenoord aber dennoch seinen Anteil. In Rotterdam hat er in der Rückrunde mit drei Eigengewächsen schließlich ein starkes Mittelfeldtrio entwickelt, von dem Nationaltrainer Bert van Marwijk entscheidend profitiert. Niederländische Medien sprechen daher vom „Guardiola-Effekt“, Arjen Robben rasiert sich zu Ehren des Katalanen für alle Zeit den Schädel.

Mario Basler ist aber noch nicht überzeugt und sagt im ‚Doppelpass‘ über das „Möchtegern-Genie“: „Taktik, schmaktik. Von wegen falsche Neun. Ein falscher Fuffziger ist das.“ Das Publikum johlt und klatscht begeistert.

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In Barcelona folgt auf die so erfolgreiche Saison indes ein Absturz, selbst Don Carlos so gefeierte Augenbraue hält nichts mehr oben. Mehrere Eckpfeiler des Teams wirken satt und scheinen ihren Leistungszenit überschritten zu haben. Am Ende einer titellosen Saison muss Ancelotti, der den Umbruch nicht einleiten konnte, gehen. Wie schon vor drei Jahren gibt es erneut wilde Spekulationen. Arsène Wenger und Jürgen Klopp werden gehandelt, diesmal entscheiden sich die Vereinsbosse aber für die vermeintlich kleine Lösung: Luis Enrique.

Der hatte zuvor im Nachwuchs der Katalanen gute Arbeit geleistet und bringt Messi und Co. nicht nur das 4-3-3-System zurück, sondern implementiert auch wieder stärker den Grundgedanken des Cruyff’schen Fußballs. Der FC Barcelona meldet sich damit national wie international eindrucksvoll zurück, eine Ära prägt Enrique trotz einiger Titel letztlich aber nicht.

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Pep Guardiola hingegen kehrt nach zweieinhalb Jahren in den Niederlanden nach Katalonien zurück. Allerdings nicht zum großen FC Barcelona, sondern zum mutigen Aufsteiger aus Girona. Der vertraut den Ideen seines neuen Übungsleiters vollends und gewährt ihm daher bei Transfers freie Hand – zumindest im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten. Der einstige Jugendtrainer Barças nutzt seine alten Kontakte, um die bisher als Profis wenig erfolgreichen Piqué, Busquets, Iniesta und Pedro zu verpflichten.

Während die Konkurrenz anfangs nur müde lächelt, das kleine katalanische Team gar kaum beachtet, preist Guardiola die Transfers als „Super-Super-Neuzugänge“ an. Schnell wird klar: Der Trainer hat recht. Binnen zwei Jahren entwickelt sich Girona nicht nur zu einer ernsthaften nationalen Bedrohung für Barcelona und Real Madrid, die Blanquivermells sorgen auch in der Champions League für Furore. Der Name Josep erlebt bei katalanischen Neugeborenen nun Hochkonjunktur.

Im Sommer 2014 stellt Girona schließlich gleich fünf Nationalspieler, die Spanien zum erstmaligen Triumph bei einer Weltmeisterschaft führen. Josep wird nun landesweit auch als Mädchenname zugelassen.

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Doch der Erfolg hat auch seine Schattenseiten. Barça und Real locken die besten Profis Gironas mit Millionengehältern, Guardiolas mühsam aufgebautes Team zerfällt nach der Weltmeisterschaft. Die Einnahmen werden zwar clever reinvestiert und sichern im darauffolgenden Jahr den Einzug in die Europa League, es folgt aber der erneute Weggang von Leistungsträgern.

Niedergeschlagen und ausgelaugt zieht sich Guardiola trotz zahlreicher Offerten nach Südamerika zurück, selbst an der spanischen Version des Dschungelcamps will er nicht teilnehmen. Da helfen auch keine tröstenden Worte von seinem guten Kumpel José Mourinho, bei dem der Katalane mehrmals hospitiert hatte. Nach einem Jahr Pause kehrt er als Coach schließlich auf den Trainerstuhl von Argentiniens Nationalmannschaft zurück. Immerhin kann ihm hier keiner die Spieler wegkaufen.

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Nach drei verlorenen Finals in Serie leitet er einen Umbruch ein. Und das mit Erfolg: 2018 wirkt der „Guardiola-Effekt“ ebenso wie 2019, die Albiceleste wird erst Weltmeister und gewinnt dann auch noch die Copa América. Messi dankt es seinem Coach mit einem weiteren lebensgroßen Tattoo. Das Konterfei des Katalanen ziert nun die Brust des mehrfachen Weltfußballers.

Der Erfolgstrainer selbst gönnt sich anschließend ein Sabbatjahr – und nimmt dann ein spannendes Angebot aus Deutschland an: In Dortmund will er als Außenseiter den FC Bayern herausfordern. Manchmal kommt eben doch alles anders.


Dieses Format soll dich in regelmäßigen Abständen in ein Paralleluniversum der Fußballwelt entführen. Du darfst dich also auf weitere Teile einer Serie von unterhaltsamen, lustigen oder sogar absurden Texten freuen.