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Onefootball·15. November 2019

Trotz des Litauen-Hattricks: Wir erleben den Anfang von Ronaldos Ende

Artikelbild:Trotz des Litauen-Hattricks: Wir erleben den Anfang von Ronaldos Ende

Beim EM-Qualifikationsspiel gegen Litauen zeigte Cristiano Ronaldo seine Klasse und traf drei Mal. Und dennoch wird in diesen Wochen klar: Nach weit über einem Jahrzehnt erleben wir den Anfang vom Niedergang des 34-Jährigen.

Eruptionen wie gegen den Fußballzwerg gelingen ihm inzwischen seltener. Das einstmals außerirdische Superlativ ist mittlerweile „nur“ noch ein Weltklassespieler.


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Das Nachlassen der Fähigkeiten im zunehmenden Alter ist ein natürlicher Prozess bei jedem Leistungssportler – außer vielleicht bei NFL-Quarterback Tom Brady, der die Ausnahme der Regel ist. Dass bei Ronaldo diesbezüglich bis vor Kurzem kaum bis gar keine Anzeichen zu erkennen waren, ist ein Nachweis der Begabung, seiner unvergleichlichen Arbeitseinstellung und seinem Antrieb, der Beste zu sein.

Nur wenige Profis schuften hinter den Kulissen härter, um sich für Erfolge in eine optimale Verfassung zu bringen. Das hat sich für den Portugiesen offensichtlich bezahlt gemacht. „Er macht alles sehr sorgsam und zugeschnitten auf seine täglichen Ziele“, berichtete Mannschaftskollege Giorgio Chiellini vor Kurzem: „Er macht nichts aus Jux und Tollerei. Sein Wille, sich zu verbessern, ist immer zu sehen.“

Diese Spielzeit hat aber klar gezeigt, dass niemand vor dem Altern sicher ist. Ronaldo erlebte bereits einen überraschend schwachen Start in die Saison, dann aber folgte der vergangene Sonntag. Beim 1:0-Erfolg gegen Milan wurde er das zweite Mal in Folge ausgewechselt.

Als ihm dies letztmals bei Real Madrid widerfuhr, kam er gerade aus einer Verletzungspause zurück oder wurde vor einem anstehenden Champions-League-Finale geschont.

Es ist alles andere als normal für den 34-Jährigen, vom Feld genommen zu werden. Seine Reaktion – er verließ das Stadion noch vor Spielende eigenmächtig – zeigte dies deutlich. Vielleicht war es aber auch die Frustration darüber, nicht mehr auf dem Level zu agieren, auf dem er so lange unterwegs war.

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Tatsächlich gelang Juventus sowohl in der Königsklasse gegen Lokomotive Moskau als auch in der Liga gegen Milan der Siegtreffer erst, nachdem ihr Talisman bereits Platz gemacht hatte.

Es gab seitdem von Trainer Maurizio Sarri bestärkte Hinweise, dass sich der Angreifer bereits den Großteil des Monats mit einem kleinen Knieproblem herumplagt. Seine Auswechslungen erfolgten allerdings nicht aufgrund von Bedenken bezüglich seiner Gesundheit. Auch wenn es schockierend klingen mag: Ronaldo wurde aufgrund seiner Leistungen herausgenommen.

Sein Auftritt gegen Milan war womöglich sein schlechtester Auftritt für die Bianconeri. Bei ihm lief nichts zusammen: Sein erster Kontakt war unsauber, seine Trickpässe ungenau und in 25 Prozent der Fälle verlor er mit seinen missratenen Zuspielen den Ball. Dinge, die man sonst selten bei ihm sieht.

Fabio Capellos jüngst getroffene Aussage, Ronaldo sei seit drei Jahren an keinem Gegenspieler mehr vorbei gedribbelt, mag überspitzt wirken. Es ist aber zu erkennen, wie der Italiener darauf kam.

Die Zahlen aus der laufenden Saison dürften den früheren Profi von Manchester United ebenfalls nicht aufheitern. Auf Klubebene erwischte er seinen schlechtesten Start seit 2006/07. Der damals 21-Jährige war seinerzeit ein anderer Spielertyp, noch längst nicht auf seinem Zenit und knipste vier Mal. Aktuell steht er bei sechs Toren in 14 Einsätzen.

In der Serie A brauchte er für seine fünf Treffer ganze 42 Schüsse. Diese Quote ist ebenso besorgniserregend wie die Tatsache, dass er fast zwei Spiele für ein Tor benötigt. Aktuell knipst er alle 173 Minuten. Um seine schlechteste Trefferquote aus diesem Jahrzehnt nicht zu unterbieten, müsste er in den kommenden acht Pflichtspielen 16 Tore schießen.

Auch unabhängig von den Statistiken macht der Portugiese über weite Strecken der bisherigen Saison nicht mehr den besten Eindruck, weshalb er keine Garantie mehr hat, in jedem Spiel zu starten. Sarri hat nun sogar gezeigt, dass er seinen Superstar auch während des Spiels raus nimmt – wie er es mit jedem anderen Spieler auch machen würde.

Das sind schwierige Entscheidungen, vor denen der Übungsleiter auch in der Vergangenheit nicht zurückgeschreckt ist. Fragt mal bei Marek Hamšík, seinem einstigen Kapitän in Neapel, nach. Obwohl der Slowake einer der Anführer in der Kabine war, wurde er oftmals frühzeitig ausgewechselt. In London war es mit Gary Cahill nicht anders, der Verteidiger kam sogar noch seltener zum Zug.

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Sarri zählt nicht zu jenen Trainern, die sich dem Druck von den Rängen oder vom Aufsichtsrat beugen – und das wird in dieser Angelegenheit ein Vorteil sein.

Juventus hat zahlreiche Spieler in der Offensive, die in die Bresche springen können und wollen, wenn der Superstar ganz vorne nicht funktioniert. Paulo Dybala, Gonzalo Higuaín, Douglas Costa, Federico Bernardeschi, Mario Mandžukić und selbst Juan Cuadrado können im letzten Drittel allesamt eine wichtige Rolle spielen.

Wenn die ganz großen Spiele anstehen, ganz besonders bei europäischen Nächten unter Flutlicht, will man sicherlich trotzdem niemanden lieber in seinen Reihen wissen als Ronaldo. Das zunehmende Alter des Mannes von der Alten Dame lässt sich dennoch nicht länger leugnen.


Dieser Artikel wurde ursprünglich von unserem englischsprachigen Kollegen Padraig Whelan veröffentlicht und von uns ins Deutsche übersetzt sowie aktualisiert.