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Jan Schultz·6. September 2019

Steile These zum Wochenende: Mit Löw holt Deutschland nie wieder Titel

Artikelbild:Steile These zum Wochenende: Mit Löw holt Deutschland nie wieder Titel

Das Kunstleder segelt von Außen hoch in den deutschen Fünfmeterraum, wo völliges Durcheinander herrscht. Keiner kann klären, am Ende landet der Ball im Tor. Der Schock fährt allen DFB-Profis gemeinschaftlich in die Knochen und zieht 83 Millionen Köpfe mit seiner ganzen Wucht nach unten. Das erste Vorrundenaus Deutschlands bei einer WM ist besiegelt.

Knapp fünf Monate später wiederholt sich Geschichte. Im letzten Gruppenspiel der Nations League sieht die DFB-Elf gegen die Niederländer bereits wie der sichere Sieger aus – bis in der Nachspielzeit eine Flanke vor das Tor segelt und Virgil van Dijk ausgleicht. Es ist der passende Abschluss eines Fußballjahres zum Vergessen.


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Denn von 13 Partien im Jahr 2018 gewann die deutsche Auswahl gerade einmal vier, sechs Spiele gingen verloren. Schon nach dem blamablen Ausscheiden bei der Weltmeisterschaft fordert die Öffentlichkeit daher Konsequenzen. Diese fallen aber zunächst gering aus. Allen voran bleibt Joachim Löw im Amt.

Van Dijk gibt Löw einen Ruck

Mit Mesut Özil tritt hingegen ein jahrelanges Gesicht der Nationalmannschaft unter Umständen zurück, die für alle Beteiligten beschämend sind. Zudem verzichtet der Bundestrainer fortan auf Sami Khedira und verabschiedet sich vorsichtig von seinem über Jahre bewährten System mit einer defensiven Viererkette. Wie ein Umbruch oder gar ein Neustart fühlt es sich trotzdem nicht an, das zeigen auch die mäßigen Resultate. Der Übungsleiter ist dafür in seinen ersten Entscheidungen nach dem Debakel von Russland zu inkonsequent.

Weitreichendere Beschlüsse fasst der 59-Jährige erst, nachdem sich die WM-Probleme beim späten 2:2 gegen die Niederländer wiederholen. Er lässt sich allerdings erneut viel Zeit und verkündet erst im März, dass die drei Weltmeister Mats Hummels, Jerome Boateng und Thomas Müller nicht mehr nominiert werden.

„Wir wollen den Umbruch, den wir Ende letzten Jahres eingeleitet haben, fortsetzen“, erklärt er anschließend. Was für ein regelrechtes Medienbeben sorgt, ist tatsächlich eine sportlich mehr als nachvollziehbare und fast schon überfällige Entscheidung. Das zeigt etwa auch ein aktueller Blick auf die Kaderplanung bei den Bayern.

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Zumal die Mannschaft ihren Bundestrainer in der Folge bestätigt. In den bisherigen vier Partien dieses Jahres zeigt das DFB-Team endlich wieder erfrischenden Fußball, der die Fans begeistert und zunehmend auch wieder ins Stadion zieht. Das anstehende Duell mit den Niederländern ist so etwa bereits seit Langem ausverkauft. Das ist seit dem Höhepunkt der Ära Löw, dem Titelgewinn in Rio de Janeiro, keine Selbstverständlichkeit mehr.

Die Nibelungentreue als Problem

Obwohl die Richtung bei der Nationalmannschaft so nun endlich wieder stimmt, begeht der Bundestrainer doch weiterhin fatale Fehler. Fehler, die einem kompletten Umbruch im Weg stehen und das Leistungsprinzip konterkarieren. Weil er trotz des blamablen WM-Jahrs seiner inkonsequenten Linie treu bleibt.

Im Tor zog er Manuel Neuer trotz dessen monatelanger Verletzungspause und sichtlich nachlassender Leistungen Marc-André ter Stegen vor. Der wird in Spanien nicht grundlos als „Messi mit Handschuhen“ gefeiert und von der Fifa vor Neuer in die Top drei der weltbesten Torhüter gewählt. Im deutschen Tor bekommt er aber einfach keine Chance. Löw legte sich bereits vor einer gefühlten Ewigkeit auf Neuer als Nummer eins bei der EM 2020 fest.

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Auf der linken Abwehrseite wurde ein Philipp Max trotz hervorragender Leistungen über Monate nicht berücksichtigt. In der Viererkette ist für Jonas Hector mittlerweile aber auch kein Platz mehr. Der Kölner wird aber weiterhin nominiert, nun halt für das zentrale Mittelfeld. Dort gibt es in Deutschland zwar eigentlich die meisten hochklassigen Alternativen. Löw nominiert aber lieber einen positionsfremden Spieler, der zuletzt ein Jahr in der zweiten Liga kickte.

Ausnahmekicker Kai Havertz, in dem nicht nur Lothar Matthäus den kommenden Weltfußballer sieht, sitzt weiter nur auf der Bank. Dafür hat Toni Kroos, der in Madrid seit Monaten seiner Form hinterherläuft, die Nase vorne.

Dass die Mannschaft Führungspersonen braucht, die im Fußball schon alles gesehen haben, darf dabei kein Kriterium sein. An erster Stelle müssen die Leistungen stehen. Zudem haben von der jüngeren Generation etwa ter Stegen, Niklas Süle oder auch Joshua Kimmich schon zahlreiche Schlachten auf höchstem Niveau geschlagen. Das nötige Rüstzeug für eine solche Rolle bringt auch Deutschlands Fußballer des Jahres mit: Marco Reus.

Volland wäre das perfekte Gesamtpaket

Nicht minder fatal ist indes die Entscheidung, Luca Waldschmidt einem Kevin Volland vorzuziehen. Ja, der Freiburger hat eine gute letzte Saison gespielt. Ja, er trumpfte bei der U21-Europameisterschaft auf. Aber sein Saisonstart war mäßig. Ganz anders der von Leverkusens Sturm-Allrounder. Der war in den ersten vier Pflichtspielen mal eben an fünf Treffern direkt beteiligt.

Damit knüpfte er an seine überragenden Auftritte aus dem ersten Halbjahr an. In dem war er ein essentieller Faktor für Bayers furiose Aufholjagd, die letztlich in der Champions League endete. Der 27-Jährige ist zudem im besten Fußballeralter und bringt so auch eine gewisse Portion Erfahrung mit. All das sind eigentlich Aspekte, die den Bundestrainer begeistern sollten. Zumal Volland anders als etwa einst Max Kruse oder Sandro Wagner nicht als Unruheherd gilt.

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Löw aber macht auch nach 13 Jahren im Amt den Eindruck, Profis aus dem Südwesten der Republik im Zweifel den Vorzug zu geben. Zudem dürfen sich einzelne Spieler weiterhin auf seine blinde Nibelungentreue verlassen. Das bestätigt in einer Zeit, in der scheinbar alles im Nationalteam auf dem Prüfstand steht, die Inkonsequenz des 59-Jährigen.

Dies wiederum beschränkt den mit vielen PS ausgestatteten deutschen Fußball, der einem erstklassigen Sportwagen gleichen könnte, in seinen Möglichkeiten. Als würde der fünfte Gang fehlen. Fahren kann man so natürlich trotzdem, sogar noch immer ziemlich schnell. Ein Rennen und somit einen Titel gewinnt man damit allerdings nicht. Wie wichtig das (nach oben) Schalten ist, hat uns schließlich die „Fast and Furious“-Reihe gelehrt.