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Konstantin Keller·9. April 2018

Skandalöse Enthüllungen um Bayern-Sponsor

Artikelbild:Skandalöse Enthüllungen um Bayern-Sponsor

Das staatliche Unternehmen Qatar Airways ist nicht nur Partner und Sponsor der Fifa, sondern wird ab Juli 2018 auch Platinsponsor beim FC Bayern. Über den Hamad International Airport fließt bereits seit Januar 2016 Geld aus Katar auf das Konto des Rekordmeisters. Dabei ignorierten die Münchner eindeutige Hin- und Beweise über die enormen Menschenrechtsverletzungen vor Ort.

Das norwegische Fußballmagazin “Josimar” enthüllte dies in einer lesenswerten langfristigen und ausführlichen Recherche, zu deren Zweck die Journalisten auch vor Ort mit Arbeitern sprachen, die am Flughafen beschäftigt sind. Dabei wurde schnell klar, dass ein Großteil der Angestellten, die in der Regel aus Afrika oder Ländern wie Bangladesch, Nepal oder Indien kommen, unter sklavenartigen Bedingungen arbeiten müssen.


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Zwölf-Stunden-Tage bei bis zu 45 Grad Celcius Außentemperatur, inklusive stundenlanger Anreise zum Arbeitsplatz, sechs-Tage-Wochen, niedrigste Löhne und praktisch nie Urlaub – die Arbeiter werden im reichsten Land der Welt systematisch ausgebeutet. “Hier in Katar lebe ich nicht, ich existiere bloß”, wird einer von ihnen zitiert.

Der FC Bayern hatte laut dem Bericht über Angela Merkels Büro bei der Organisation “Human Rights Watch” Informationen und Handlungsempfehlungen angefragt, falls eine Partnerschaft zustande kommen würde. In dem Dokument, dass “Josimar” vorliegt, heißt es klipp und klar: “Eine Beziehung zwischen Bayern München und den katarischen Autoritäten beinhaltet ernsthafte Risiken für die Reputation des Klubs. Katar hält an einem enorm repressiven Arbeitssystem fest und verweigert Reformen. Eine Partnerschaft könnte zu Vorwürfen an den FC Bayern führen, wonach er sich an der Reinwaschung von Katars Ruf beteiligt.”

Dem deutschen Rekordmeister wurde geraten, seine Beziehungen nach Katar zu nutzen, um die Situation der Arbeiter dort zu verbessern, beispielsweise durch ein klares Bekenntnis zu deren Rechten und gegen die derzeitigen Bedingungen, wonach den Angestellten beispielsweise die Pässe weggenommen werden, sobald sie in Katar ankommen – ein Verlassen des Landes ohne Einwilligung des Arbeitgebers ist somit unmöglich.

Human Rights Watch unterbreitete Handlungsvorschläge, wie der FCB seinen Einfluss in der Partnerschaft einsetzen könnte und schickte den Münchnern über das Büro der Bundeskanzlerin auch vorgeschlagene Statements zu. Doch die Enthüllungen und Beobachtungen des norwegischen Magazins und eine ausbleibende klare öffentliche Positionierung des FC Bayern legen nahe, dass diese ignoriert wurden.

Eine Anfrage von “Josimar” bezüglich der vor Ort gemachten Beobachtungen wurden vom Klub mit einer Mail beantwortet, in der auf die bereits verbesserten Arbeitsbedingungen vor Ort und die Verbindung des Fußballs mit diesen hingewiesen wurde. Artikel, die dies belegen würden, seien leicht zu finden. Karl-Heinz Rummenigge hatte zuvor bereits ein ähnliches öffentliches Statement abgegeben, die organisierten Anhänger des FC Bayern reagierten darauf mit einem Banner, welches den Vorstandsvorsitzenden mit sprichwörtlichen Tomaten auf den Augen zeigte.

Artikelbild:Skandalöse Enthüllungen um Bayern-Sponsor

Das norwegische Magazin befragte anschließend den Menschenrechtsaktivisten Nicholas McGeehan, der bereit seit 2004 in die Thematik involviert ist. Er zeigte sich schockiert von der Reaktion der Münchner: “Sie veröffentlichen ein Statement, welches in keinster Weise auf die Enthüllungen eingeht, mit denen sie zuvor konfrontiert wurden. Das zeigt, dass der FC Bayern kein Interesse daran hat, das Richtige zu tun – es geht nur um Geld. Die Werte, für die der Klub angeblich steht, kommen erst danach.”

McGeehan war an den Berichten an den FC Bayern beteiligt, die vor Abschluss der Partnerschaft an die Roten übermittelt wurden. “Unser Rat an die Bayern war glasklar: Seid offen über eure Erwartungen an eine Verbesserung der Arbeiter-Lage. Stellt sicher, dass Arbeiter, die an Projekten arbeiten, in die ihr dann auch involviert seid, geschützt sind. Nutzt euren Einfluss, um Dinge zu verbessern – wenn das jeder täte, würde es einen enormen Unterschied machen.”

Die Münchner taten es offenbar nicht. Nicholas McGeehan ärgert dabei insbesondere “die Scheinheiligkeit, das ist ein großes Problem. Du kannst natürlich nach Katar gehen und das Geld nehmen – aber dann hast du keinerlei Glaubwürdigkeit, wenn du dich als Fußballklub mit Werten präsentierst. Alles was Bayern hätte tun müssen, ist Fragen zu stellen. Das ist nicht schwer – also, warum haben sie das nicht getan?”

Berechtigte Fragen, auf die einzig und allein der FC Bayern München antworten kann. Dass in Katar schon seit längerem Menschenrechtsverletzungen stattfinden, ist selbst für Außenstehende kein großes Geheimnis. “Human Rights Watch” veröffentlichte Berichte, wonach beispielsweise allein im Jahr 2012 520 Arbeiter aus Bangladesch, Nepal und Indien in Katar verstarben – 375 dieser Tode blieben ungeklärt.

Die Umstände dieser Partnerschaft sowie die Proteste der Fans, die McGeehan als “einzige Hoffnung des Fußballs” bezeichnet, zeigen einmal mehr eindrucksvoll auf, wie sehr der moderne Profifußball vom Geld gelenkt wird und sich von der Basis entfernt hat. Das Eintreten für Werte und Selbstreflektion sind bei vielen Klubs nahezu komplett verschwunden, diese Dinge können sie sich offensichtlich nicht leisten, wenn sie an der Spitze der Branche bleiben wollen.

Die Frage, wo beim Verschleiern, Täuschen und Beschönigen solcher Umstände die endgültige Grenze des Zumutbaren erreicht ist, kann dabei letztlich nur eine Gruppe beantworten: Die Konsumenten des Produktes – die Fans.