Ex-Profi spricht über Depression: "Du denkst, es hört nicht mehr auf" | OneFootball

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Konstantin Keller·3. April 2018

Ex-Profi spricht über Depression: "Du denkst, es hört nicht mehr auf"

Artikelbild:Ex-Profi spricht über Depression: "Du denkst, es hört nicht mehr auf"

Das Thema mentale Belastung und daraus folgende psychische Erkrankungen ist derzeit rund um den Profifußball sehr präsent. Martin Amedick, der als Profi unter anderem bei Borussia Dortmund, dem 1. FC Kaiserslautern und Eintracht Frankfurt die Fußballschuhe schnürte, sprach nun offen über seine Erkrankung an Depression.

“In den tiefen depressiven Phasen spürst du eine Ohnmacht und Antriebslosigkeit”, schilderte der ehemalige Verteidiger im Gespräch mit dem “kicker”. “Du denkst, es hört nicht mehr auf. Und in den guten Phasen warst du wie aufgedreht, möchtest das nachholen, was du in den schlechten Phasen verpasst hast.”


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Die ersten Symptome traten bei Amedick während seiner sportlich wohl erfolgreichsten Zeit auf: Nach dem Bundesligaaufstieg mit dem 1. FC Kaiserslautern war er als Kaptiän und Abwehrchef mit besonders viel Verantwortung betraut, engagierte sich zudem mit viel Einsatz in einem sozialen Projekt und musste zuvor bereits einen privaten Schicksalsschlag verkraften, als sein Schwiegervater an Krebs verstab – just als er beim BVB, seiner vorherigen Station, aussortiert worden war.

Immer setzte sich Amedick selbst unter Druck, stets musste er auf dem Platz und im Training funktionieren. “All das wurde zu einem unheimlich schweren Rucksack”, gab der 35-Jährige im Gespräch mit dem Fachmagazin zu. Als er im Zuge seiner Krankheit tiefe depressive Phasen durchmachte, stieg Panik im Abwehrmann hoch, wenn sich eine Partie näherte.

“Immer wieder lief in meinem Kopf ab: ‘Du kannst in diesem Zustand keinesfalls spielen’. Am Vorabend war der Gedanke da, im Hotel morgens. Erst als das Spiel begann, konnte ich diese Angst vergessen und einfach funktionieren. Meine Probleme hat man mir nie angesehen”, berichtete Amedick.

Nach dem Wechsel nach Frankfurt spitzte sich seine Krankheit weiter zu, er konnte im ersten Halbjahr bei den Hessen lediglich bei zwei Einsätzen zum Wiederaufstieg in die Bundesliga beitragen. Als ihm ein erneuter Wechsel nahgelegt wurde, zog Amedick die Notbremse und begab sich in Behandlung.

Sechs Monate später kehrte er geheilt zurück, konnte an vorherige Leistungen jedoch nicht mehr anknüpfen. Ab Sommer 2013 spielte er noch einmal beim damaligen Zweitligisten Paderborn, beendete anschließend seine Laufbahn. “Ich bin mit meiner Karriere sehr, sehr glücklich”, betonte Amedick. “Die Erinnerung an die wirklich schlechte Zeit relativiert vieles.”

Inzwischen studiert der 74-fache Bundesligaspieler Psychologie an der Universität Bielefeld und will künftig als Sportpsychologe arbeiten, aufstrebende Talente auf ihrem Weg in den Profifußball begleiten. Zudem hält er Vorträge im Namen der Robert-Enke-Stiftung und versucht, Menschen für das Thema Depression zu sensibilisieren.

Die mentale Belastung, insbesondere in den Nachwuchsleistungszentren, werde nach wie vor verkannt und unterschätzt: “Es ist noch viel zu tun. Wir müssen die Erkrankungen besser erklären und die Stigmatisierung bekämpfen”, erklärte Amedick. Er will seine Erfahrungen zukünftig nutzen, um bei seiner zweiten Rückkehr in den Profifußball auch dabei zu helfen und andere Spieler auf ihrem Weg zu unterstützen.