Erik Meijer exklusiv: "Liverpool ist noch nicht sicher Meister" | OneFootball

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Antonia Hennigs·25. Dezember 2019

Erik Meijer exklusiv: "Liverpool ist noch nicht sicher Meister"

Artikelbild:Erik Meijer exklusiv: "Liverpool ist noch nicht sicher Meister"

Als Taktikexperte von ‚Sky‘ kennt Erik Meijer sich bestens aus in der Welt des Fußballs. Wir haben uns deshalb mit ihm über Liverpools Dominanz in der Premier League, das kommende Achtelfinale in der Champions League und ein mögliches neues Ajax sowie über die vergangene Bundesliga-Hinrunde unterhalten.

Herr Meijer, wie viel Fußball gucken Sie denn jetzt so rund um die Feiertage?


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Viel weniger als ich es normalerweise tun würde, weil ich ja hauptsächlich in der Königsklasse eingesetzt werde und die ist ja jetzt erstmal in der Winterpause. Und wenn Sie den englischen Fußball meinen, dann ja, das verfolge ich. Da würde ich gerne noch viel mehr live schauen, aber wahrscheinlich werden es eher sehr viele Spiele in der Zusammenfassung.

Können Sie denn privat eigentlich noch „normal“ Fußball gucken? Einfach mit einem Bier auf der Couch oder startet da automatisch die Taktikanalyse in Ihrem Kopf?

Weil ich das bei ‚Sky‘ ja jetzt schon acht Jahre mache, gucke ich mir den Fußball schon ein bisschen anders an. Aber ich kann auch ganz entspannt ein Spiel gucken. Gerade wenn es einer meiner Ex-Vereine ist, dann sind natürlich etwas mehr Emotionen dabei.

Artikelbild:Erik Meijer exklusiv: "Liverpool ist noch nicht sicher Meister"

Was guckt Erik Meijer denn lieber: Champions League oder auch mal eine Kreisligapartie auf dem Platz nebenan?

(lacht) Also ein Kreisligaspiel würde ich gerne mal gucken, aber dafür fehlt mir die Zeit. Meistens sind es schon die Champions-League-Spiele. Die gucke ich ja sowieso an den Tagen, an denen ich bei ‚Sky‘ bin. Und natürlich regelmäßig meine Premier-League-Spiele an den Sonntagen.

Da sind wir auch schon beim Thema. Morgen steht Liverpool gegen Leicester an, was erwarten Sie von dieser Partie?

Das ist ein unerwartetes Topspiel, weil wir alle nicht geglaubt haben, dass Leicester City so gut performen würde dieses Jahr. Aber sie verdienen es, da oben zu stehen und es Manchester City schwierig zu machen. Ein Jamie Vardy kann immer einen Unterschied machen. Jede Mannschaft, die einen Topstürmer hat, kann oben in der Liga mitspielen. Ich erwarte ein sehr offenes Spiel, bei dem beide Vereine ihre Kraft in der Offensive haben.

Ist die Liga nach diesem Spiel – Erster gegen Zweiter – schon entschieden?

Nein, das glaube ich nicht. Fakt ist, dass Liverpool bis jetzt fast fehlerlos durch die Saison gelaufen ist. Jetzt kommen aber die Wochen, in denen Liverpool sehr viel unterwegs ist und sehr viele Spiele hat. An jedem dritten Tag ungefähr. Das gleiche gilt für Leicester, aber Liverpool ist ja auch noch in Katar gewesen. Die Salahs, die Manés und die Firminos dieser Welt fit zu halten, ist im Moment das wichtigste.

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Manchester City schwächelt in dieser Saison. Wo sehen Sie da die Gründe?

Durch das Wegfallen von Laporte, einem sehr wichtigen Defensivmann, und durch die Verletzung von John Stones, der neben Laporte spielte, ist die Defensive von Manchester City nicht mehr so stabil. Jetzt spielen da Leute wie Fernandinho, die normalerweise auf einer Mittelfeldposition gesetzt sind. Ich glaube, das Gleiche wäre der Fall, wenn man bei Liverpool van Dijk und Matip wegnehmen würde.

Nochmal zu Liverpool – neben dem großen Vorsprung in der Liga, sind die Reds dieses Jahr natürlich auch Champions-League-Sieger geworden. Sind sie momentan das beste Team der Welt?

Klares ja. Fakt ist, dass Liverpool schon letzte Saison eine unglaublich gute Saison gespielt, aber Manchester City die Meisterschaft geholt hat. Aber wenn du die Champions League gewinnst, dann bist du einfach top.

Also ist Jürgen Klopp auch der beste Trainer der Welt? Wie hat er es geschafft Liverpool nach dem verlorenen Finale 2018 noch mal besser zu machen?

Ja, ich glaube schon. Er ist einer der besten Trainer der Welt. Ich glaube aber auch, der Unterschied zwischen ihm und Pep Guardiola ist nicht so riesig. Klopp durfte in zwei, drei Jahren viele Millionen ausgeben und hat jetzt einen Kader, der einfach sehr stabil ist. Er hat sehr gut verstanden, seinen Kader in der Breite besser zu machen. Deshalb sind sie Champions-League-Sieger geworden, und deshalb kann auch ein Spieler wie Divock Origi im Finale das Spiel entscheiden.

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Sprechen wir über die aktuelle Champions League. Wer sind Ihre Favoriten?

Liverpool ist für mich wieder einer der Favoriten. Es ist zwar nur schleppend durch die Gruppenphase gekommen, aber das wird jetzt jedes Spiel besser werden, weil Salah bis jetzt noch nicht richtig gut war. Mein zweiter Favorit ist Barcelona, weil wir bis jetzt einen ordentlichen Messi und einen guten Suárez gesehen haben, aber Griezmann haben wir bisher noch gar nicht gesehen. Und wenn der sich warm läuft, dann ist Barcelona sicher eine der Mannschaften, die bis ins Halbfinale kommen werden.

Letztes Jahr hatten wir ja eine kleine Märchengeschichte mit Ajax Amsterdam. Wer könnte denn dieses Jahr das „neue Ajax“ werden und für eine Überraschung sorgen?

(lacht) Wer könnte das sein? Es ist ja schon überraschend, dass Atalanta Bergamo, das das erste Mal dabei ist, überhaupt die Gruppenphase überstanden haben. Vielleicht kann es gegen Valencia ebenfalls irritieren und eine Runde weiterkommen. Dann wächst natürlich der Glaube an dich selbst, das ist bei Ajax ja auch passiert. Es ist immer schön, wenn es so eine Überraschung wie Ajax im letzten Jahr gibt.

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Was sagen Sie denn zu den drei deutschen Teams im Achtelfinale der Champions League? Wie viele von ihnen kommen weiter?

Leipzig hat eine Mannschaft, die Tottenham richtig weh tun kann. Und ich schätze Bayern München im Moment stärker ein als Chelsea. Weil Bayern mehr Champions-League-Spiele in den Beinen hat, weil sie mehr Erfahrung haben – Chelsea schwankt noch zu viel. Und der BVB bleibt eine Wunderkerze, aber an zwei Abenden, in zwei Spielen über 90 Minuten, wäre auch ein Sieg gegen PSG möglich. Ich gehe davon aus, dass alle drei deutschen Mannschaften unter den letzten Acht noch dabei sein werden.

Gibt es dieses Jahr denn auch ein deutsches Team, das das Potenzial hat, die Champions League zu gewinnen?

Das wäre nur Bayern München, weil der Kader breit genug ist, vor allem wenn die verletzten Spieler wieder dazu,kommen. Dann hat Bayern einfach eine sehr gute Mannschaft und wenn die Köpfe jetzt durch eine etwas andere Ansprache vielleicht auch noch ein bisschen freier werden, dann sind sie mit einem immer brandgefährlichen Lewandowski einfach einer der Favoriten.

Letzte Saison wurden die Bayern knapp Meister, in dieser Saison aber kein Herbstmeister. Sind die Bayern schlechter geworden oder der Rest der Liga-Spitze tatsächlich besser?

Ich denke, beides ein klein wenig. Bayern ist sehr schlecht gestartet und hat dann durch Verletzungen von wichtigen Spielern auch Punkte gelassen. Dann gab es die ganze Diskussion, ob Niko Kovač bleibt oder nicht, und unzufriedene Spieler. Vor allem Leipzig mit einem Konstrukt, das schon Jahre so steht, mit einem jungen, sehr guten Trainer, kann auf jeden Fall Paroli bieten. Es hat eine Spielart, die ich sehr attraktiv finde. Sehr offensiv, die Sachsen geben defensiv nicht so viel weg und haben auch einen Goalgetter mit Timo Werner. Und dann haben wir noch Gladbach und Dortmund, die noch mitmischen. Obwohl ich von Gladbach denke, dass es das vielleicht nicht bis zum Ende durchhält.

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Sehen wir im Mai 2020 einen anderen Meister nach sieben Bayern-Titeln in Folge? Was glauben Sie?

Ich denke, dass das für jeden gut wäre. Es wäre gut für Bayern, weil sie dann wissen, wir müssen zulegen und es wäre gut für die Liga, dass mal jemand anderes deutscher Meister wird. Die Leute aus München würden wahrscheinlich sagen: ‚Hör auf mit deinem Quatsch, Meijer, wir wollen das nochmal.‘ Ich glaube aber, dass es für die Bundesliga gut wäre, wenn es jemand anderes wird.

Bayern entließ Niko Kovač, Dortmund wiederum hat an Lucien Favre festgehalten – beide Teams haben sich dann irgendwie wieder gefangen, obwohl sie unterschiedliche Wege gewählt haben. Was sagt uns das?

Ich denke, bei so einer Entscheidung ist auch oft die Frage, was die Alternativen sind. Ich glaube, dass Bayern sich erhofft hat, dass Hansi Flick eine Weile durchhält, um Ruhe reinzubringen, damit sie nach einem Nachfolger schauen können. Jetzt stellt sich heraus, dass alle sehr zufrieden mit ihm sind, vor allem die Spieler. Und Favre auf der anderen Seite hat, glaube ich, auch selbst mal in den Spiegel geguckt und gedacht: ‚Okay, vielleicht muss auch ich meine Art, und meine Art zu coachen, ein bisschen an die Jungs, die ich um mich herum habe, anpassen.‘

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Kommen wir nochmal weg von den Großen der Bundesliga, zu den sogenannten Underdogs. Gibt es in der Bundesliga momentan ein Team, das ihnen besser gefällt als sie erwartet haben?

Ja, das ist Freiburg. Wenn man mit so einem kleinen Etat über Jahre hinweg in einer Nische so eine gute und tolle, stabile Leistung bringt, dann muss das auch mal belohnt werden. Und ich finde, Freiburg hätte es sich verdient, die Fußballmannschaft des Jahres zu sein.

Herr Meijer, ich bedanke mich bei Ihnen.