Der Spieler der Woche: Wie Jadon Sancho die Bundesliga aufmischt | OneFootball

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Louis Richter·24. Oktober 2018

Der Spieler der Woche: Wie Jadon Sancho die Bundesliga aufmischt

Artikelbild:Der Spieler der Woche: Wie Jadon Sancho die Bundesliga aufmischt

„You alright?“, fragt Jadon Sancho knapp mit einem breiten Lächeln und funkelnden Augen. Es folgt die Handschlag-Fistbump-Kombination, dann läuft Marcus Rashford weiter, um die anderen Mitglieder der Three Lions zu begrüßen. Die Debütanten Jadon Sancho und Mason Mount bleiben sitzen und gucken dem United-Star hinterher. Sie sind stumm und wirken irgendwie ein wenig sprachlos darüber, dass auch sie nun bei den Großen mitmischen dürfen.


Stärken

Dabei ist es alles andere als verwunderlich, dass der junge Borusse Anfang Oktober von Gareth Southgate angerufen und zur englischen A-Nationalmannschaft eingeladen wurde. Denn die guten Ansätze, die der noch 18-Jährige (!) in seiner Debütsaison beim BVB zeigte, bestätigte er bis dato auch im zweiten Jahr in Schwarz-Gelb.


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Lucien Favre warf Sancho zunächst immer wieder als Joker in den Schlussphasen der Partien ins Rennen und der machte seine Sache trotz limitierter Spielzeit sehr gut. Mit seiner tödlichen Mischung aus Tempo und traumhafter Technik konnte er stets sofort einen Unterschied ausmachen – und seinen Wert laut ‚transfermarkt.de‘ binnen zwei Monaten bis Ende Oktober um 20 Millionen Euro (!) erhöhen.

Denn der erste Engländer, den die Borussia jemals verpflichtete, ist nicht nur schnell in den Beinen, sondern auch im Kopf. Sancho scheint trotz seines jungen Alters mental immer Herr über die Spielsituation zu sein. Tut sich ein Raum auf, stößt er rein. Erkennt er klare Tempo-Defizite bei seinem Gegner, geht es mit schnellen Kontakten und enger Ballführung an ihm vorbei. Besteht die Gefahr, sich gegen eine Überzahl an Verteidigern festzudribbeln, wählt er immer öfter den einfachen Weg und verlagert das Spiel.

Die mentale Frische verbildlicht eine Szene vom Auswärtssieg bei Bayer 04 Leverkusen Ende September. In der 69. Spielminute spielte Sancho auf Höhe der Mittellinie einen Querpass auf Marco Reus. Verteidigt wurde er von Dominic Kohr, der nach dem Pass kurz über die linke Schulter guckte und Sancho so aus den Augen verlor. Der erkannte das, zog im Rücken des Verteidigers in die Innenbahn und Kohr so davon. Im Sechzehner bekam er wieder den Ball, ließ den allerdings nur kurz für Reus tropfen, der das 2:2 erzielte.

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Kurzum: Jadon Sancho bringt bereits jetzt so gut wie alle Fähigkeiten mit, über die überdurchschnittlich gute Offensivspieler verfügen müssen. Wenn man bedenkt, dass sein Körper als 18-Jähriger noch gar nicht ausgereift sein kann und er physisch vermutlich noch stärker wird, darf diversen Verteidigern gerne Angst und Bange werden.


Schwächen

Wenn etliche Bereiche seines Spiels bereits lobend erwähnt wurden, ist es nur logisch, dass Sanchos Skillset deutlich weniger Raum für Kritik lässt. Trotzdem hat auch der junge Londoner natürlich noch Luft noch oben. So ist der linke und schwache Fuß naturgemäß bei weitem noch nicht auf dem Level des rechten. Das wird vor allem beim Abschluss deutlich, auch wenn es beim VfB Stuttgart bereits, wenn auch entscheidend abgefälscht, mit dem linken Huf klappte.

Eine Menge Arbeit sollte Sancho auch noch in sein Kopfballspiel investieren. Wie gut das aber wirklich ist, lässt sich derzeit kaum feststellen. Denn sowohl bei Manchester City als auch beim BVB agierte Sancho bisher eher als Vorbereiter mit dem Ball am Fuß, der mit schnittigen Flanken gute Kopfballmöglichkeiten für die Mitspieler initiierte.

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Probleme hat er auch noch im Zweikampfverhalten. Nur 41,5 Prozent seiner direkten Duelle konnte er bisher gewinnen. Das ist natürlich zu wenig. Aber: Auf Grund seiner Position als offensiver Flügel muss Sancho auch nicht immer bis an den eigenen Strafraum mit nach hinten arbeiten. Öfter lauert er als Konterspieler auf die schnellen Ballgewinne, um dann in die Tiefe zu starten. Muss er aber mal defensive Kernarbeit verrichten, ist schnell zu erkennen, dass er sich dabei nicht wirklich wohlfühlt.


Persönlicher Werdegang

Beim BVB wissen sie aber, dass Fehlerchen wie solche seltener auftreten werden, je mehr Erfahrung Sancho sammelt. Was das Umziehen angeht, damit kennt er sich aus. Im Alter von sieben Jahren ging es aus dem rauen Londoner Süden zum FC Watford, 2015 wechselte er dann zu Manchester City, einem Weltklub. Ein großer Schritt für Sancho, der den nächsten Schritt zu den Profis dort vorerst nicht machen konnte – und sich deshalb für den ersten Wechsel ins Ausland und zum BVB entschied.

Ein Kulturschock, sowohl für den Sportler als auch für den Menschen. Aber einer, der ihn reifen ließ und den er nicht bereut. Natürlich sei es hart gewesen, nicht mehr einfach die Straße runterlaufen zu können, um seine Freunde zu treffen. „Aber mein Ziel ist es, auf Dauer ein professioneller Fußballer zu sein und mich und meine Familie glücklich zu machen.“ Außerdem seien Umzüge für ihn nichts Neues, sie hätten ihn viel eher zu dem Typen und Spieler gemacht, der er heute ist, erzählt Sancho bei seiner ersten Pressekonferenz als Nationalspieler. Wie passend.


Ein Spieler wie…

Ousmane Dembelé, das sagen zumindest viele Experten. Und der Vergleich hinkt auch tatsächlich kaum. Beide Spieler kommen primär über die Flügel und sind eher Vorbereiter als Vollstrecker. Im Endeffekt reiht sich Sancho aber generell hervorragend in die Riege der jungen, starken Flügelspieler ein, die sich derzeit im Weltfußball einen Namen machen: Leroy Sané, ebenjener Dembelé, Jesse Lingard. Die Liste ist lang und prominent, Sancho dürfte man, spielt er so weiter wie zurzeit, aber schon bald in sie aufnehmen.

Dann müsste der Dortmunder beim Zusammentreffen der Three Lions auch nicht mehr schüchtern Löcher in die Luft starren, nachdem er die großen Stars begrüßt. Die Rolle könnte er dann neuen Talenten überlassen – die ihm hinterherschauen wie er heute noch Marcus Rashford.

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