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Onefootball·28. Juni 2018

Das sind die größten Baustellen der Nationalmannschaft

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Aus in der Vorrunde. Und die große Frage: Was passiert jetzt mit der Nationalmannschaft? Die Baustellen sind zahlreich und unangenehm. Doch sie müssen angegangen werden.

Das Selbstverständnis

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Die Mannschaft ist angekommen! Die Mannschaft besteigt das Flugzeug! Die Mannschaft betritt den Rasen! Die Überinszenierung des deutschen Teams war für viele Fans befremdlich. Mitunter hatte man den Eindruck, dass Mannschaft und Stab sich bewusst für ein maximal selbstbewusstes Auftreten auf und neben dem Platz entschieden haben, um Gegner und Kritiker zu beeindrucken. Die Taktik ging mehr als schief, denn es war eher eine Selbstüberschätzung. Das Auftreten sorgte dafür, dass viele Fans Abstand von der Mannschaft nahmen, und auch dafür, dass Gegner sich extra angestachelt fühlten. Wie Mexiko die deutsche Elf förmlich überrannte, war aus neutraler Sicht einfach fantastisch anzusehen. Die Mannschaft (sic!) wirkte wie ein alter Opa, dessen Wohnzimmer von einer Horde Partystudenten mit Bierbong und Konfettikanonen gestürmt wurde. Hilflos, behäbig, überrumpelt. Die Mannschaft war angekommen – und zwar auf dem Boden der Tatsachen.


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Der Apparat drumherum

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Der DFB muss sein gesamtes Auftreten überdenken. Vor und während des Turniers begab sich der Verband in eine Art Kleinkrieg mit den Medienvertretern. Fragen wurden bei Pressekonferenzen nicht zugelassen oder abgebügelt, Zugang zu Trainern und Spielern war sehr spärlich, die Mauern wurden immer höher. Spieler ätzten schließlich öffentlich gegen die Kritiker in den Medien und versuchten ihnen irgendwie, eine Mitschuld an der Misere anzudichten. Das Motte: Ihr seid doch hier für die Scheißstimmung verantwortlich. Nun muss der DFB nur auch langsam mal kapieren, dass Journalisten nicht dazu da sind, ihnen devot zuzujubeln, sondern auch mal kritisch nachzufragen. Und das ein tolle Marketingkampagne keine Spiele gewinnt.

Das Mannschaftsgefüge

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Als der DFB den Hashtag #zsmnn als Motto für die WM präsentierte, war das Gelächter groß. Nach den Auftritten der Mannschaft auf und neben dem Platz wirkt der holprige Slogan nur noch wie ein schlechter Scherz. Denn bei der WM stand keine Mannschaft auf dem Platz, sondern eine Ansammlung von Kleingruppen, die nicht genau wusste, was sie miteinander anfangen soll. Die Balance zwischen Defensive und Offensive war nicht auszumachen. Es wirkte so, als spiele jeder Mannschaftsteil für sich. Dass diese Probleme dann auch in öffentlichen Statements angesprochen wurden, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Dank geht dafür vor allem an Mats Hummels, dem offenbar auch so einiges gegen den Strich ging – und der sich auch traute, das öffentlich zu machen.

Das Personal

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Die WM ist aber nicht so schiefgelaufen, weil ein Hashtag nervte, sondern weil die deutsche Mannschaft einfach schlecht gespielt hat. Und weil der Mannschaft ganz offensichtlich die innere Überzeugung fehlte, dass es gut geht. Das wiederum kann man auch auf den Stab um die Mannschaft zurückführen, die dem Team offenbar nicht die richtigen Werkzeuge für das Turnier an die Hand gegeben hat. Das sich eine deutsche Mannschaft bei einem Turnier von nominell unterlegenen Gegner überrumpeln lässt, ist kein Gütesiegel für den massiven Analysestab des DFB. Doch die Hauptverantwortung tragen dann doch am Ende Spieler und Trainer, die blutleer und ratlos agierten. Jeder von ihnen wird in den kommenden Wochen nachdenken, ob und wie er dabei helfen will, den Scherbenhaufen aufzukehren. Klar ist, dass einige Konsequenzen ziehen werden und Platz machen.

Die Führungspersönlichkeiten

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Als potentielle Rücktrittskandidaten gelten derzeit Sami Khedira und Mario Gomez. Doch auch andere werden genau abwägen, ob sie der Nationalmannschaft noch was geben können oder wollen. Manuel Neuer hat in den letzten Monaten eine Odyssee aus Verletzungen hinter sich, sein Körper hat ihm klare Zeichen gesendet. Denkbar, dass er auf die Zusatzbelastung Nationalmannschaft verzichtet, um seine Karriere nicht zu gefährden. Mesut Özil kann man fast nur wünschen, dass er zurücktritt. Sportlich ist er immer noch nicht zu ersetzen, doch die Häme, Wut und Abneigung die ihm vor und während der WM entgegen gebracht wurde, hätte jeden normalen Menschen dazu gebracht, zu sagen: Macht den Scheiß doch alleine. Niemand könnte es ihm übel nehmen. Ein Rücktritt von Mats Hummels, Thomas Müller, Jerome Boateng und Toni Kroos wäre hingegen ein wahrer Schock für Fans und Verantwortliche.  Doch es liegt in der Natur der Dinge, dass nach so einem WM-Auftritt erstmal jeder hinterfragt wird.

Der Nachwuchs

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Zu lange hat sich der DFB auf der Übergeneration der U21-Europameister von 2009 ausgeruht. Neuer, Boateng, Hummels und Co. waren und sind nach wie vor die Eckpfeiler der deutschen Mannschaft, doch die jüngeren Spieler die Nachrücken haben noch nicht die Qualität. Ihnen wird dennoch konsequent vermittelt, dass sie bereits Weltklasse sind. Spieler wie Julian Draxler, Leon Goretzka und Joshua Kimmich stagnieren aber eher, statt sich zu entwickeln. Zu den U-Nationalmannschaften darunter klafft zudem ein massives Leistungsloch auf. Die U21 wurde zwar 2017 Europameister, kein Spieler aus dieser Mannschaft schaffte jedoch den Sprung in die A-Mannschaft. In den Jahrgängen darunter wird es auch eng. Die hochgelobte Jugendarbeit des DFB ist also in den erfolgreichen Jahren stagniert. Das Personal in den U-Mannschaften ist gut, die Verein binden junge Spieler auch konsequenter ein, doch vielleicht werden viele der Jungstars zu früh in den Himmel gehoben.